Wahl-Duell

In einem sehr kleinen Dorf der Lüneburger Heide sind sich die beiden so nahe wie nirgendwo. Noch dauerhafter und näher sind sie sich da, als in den beiden TV-Duellen. Sie hängen von der Bogenlaterne in der Mitte jenes kleinen Dorfes herunter. Als Plakat. Von dessen einer Seite kindlächelt ein schmalköpfigkluger Stoiber hoffnungsvoll seinen Engel (lat. = Angela) an, der fast selbstirdischer Kanzlerkandidat war. Und auf der Rückseite desselben Plakats lächelt ein ebenso hoffender Schröder, allein in seiner souverän-eckigen Grimmigkeit. Ein Spaßvogel oder die Sparsamkeit haben die beiden Plakate auf gleiches Format geschnitten und Rücken an Rücken zusammengeklebt und aufgehängt. Wobei natürlich offen ist, wer wessen Rückseite oder Vorderseite ist. Wie beim langen Tisch, wo die Perspektive der Sitzenden entscheidet, wo oben oder wo unten ist. Und nun weg von diesem Sparplakat, denn heutiges Thema ist unsere neue Erfindung: Das TV-Duell. Duell? Das hängt mit zweien zusammen. Aber da waren doch immer vier? Wenn mehr als zwei zusammen ein Spiel treiben ist das alles, nur kein Duell. In einer einfachen Musiktheorieprüfung würde ich durchfallen, wenn ich drei oder gar vier Spielende als Duett oder Duo bezeichnen würde. Es ist ein Trio oder Terzett oder – im Falle der Musik wie der TV-Duelle - ein Quartett. Schlimmer noch mit der nationalen Begriffsverwirrung: Bei den TV-Duellen waren die Hauptspieler scheinbar unsere beiden Führer unserer zwei großen Volksparteien. Scheinbar. Denn im Anschein wurden sie dirigiert von jeweils zwei JournalistInnen, die nicht umsonst einem Berufsstand angehören, der längst als „vierte Gewalt“ gilt. Gewalt? In unserer Demokratie? Na, lassen wir diese Diskussion und werden historisch. Ein Duell war ein Kampf auf Leben und Tod, mit Stich - oder Schusswaffen. Nur im Hintergrund sekundierten Sekundanten. In den deutschen TV-Duellen sind die Sekundanten mindestens vom Typ emeritierter Professoren, welche früher allein bestimmten, wie lang die Rede darüber sein darf, wo es lang gehen soll. In der Mitte des unteren Randes jenes Plakats in dem kleinen Heidedorf hat der Aufkleber/Aufhänger ein Loch gebohrt und einen Bindfaden darein geknotet. An dessen anderen Ende schaukelt im besonders windigen Winde der Wahlen der etwas krampfhaft lachende Dritte von einer der kleinen Parteien. Die das Duell entscheiden. Nicht scheinbare „Duellanten".

17. September 2002